„Alle Register ziehen“

„Die Orgel ist ohne Zweifel das größte, das kühnste und das herrlichste aller von menschlichem Geist erschaffenen Instrumente. Sie ist ein ganzes Orchester, von dem eine geschickte Hand alles verlangen, auf dem sie alles ausführen kann," sagte Honoré de Balzac über die Orgel und brachte damit auf den Punkt, warum man sie zu Recht die „Königin der Instrumente" nennt.

An der Kirchenorgel erwecken wir ein Gesamtkunstwerk aus Klang, Architektur, Orgelbau, Technik, Malerei zum Leben und eröffnen so den Zuhörern ein Portal der Spiritualität. Das gilt für die kleine, einmanualige Orgel mit gerade einmal acht Registern der Dorfkirche ebenso wie für mächtige Instrumente wie die größte Kirchenorgel der Welt im Passauer Dom. Das gilt auch für die Orgeln in Konzertsälen, bis hin zur gigantischen Wanamaker-Orgel im Kaufhaus Macy's in Philadelphia.

Keine Orgel ist wie die andere, zu unterschiedlich sind ihre Konzeptionen und die Räume, für die sie jeweils gebaut sind. Sie sind Unikate. Daher kann man auf ihnen Bach, Widor oder Buxtehude, Händel, Mendelssohn-Bartholdy, Reger oder Messiaen und all´ die anderen Komponisten immer wieder neu entdecken. Die Orgel überwältigt ihre Zuhörer geradezu. Sie ist das größte und lauteste Instrument, sie hat einen größeren Umfang als alle anderen Instrumente und mit ihrem Reichtum an Pfeifen kann sie - sei es mit zartem Pianissimo, sei es mit donnerndem Fortissimo im Plenum - ehrfurchtsvolles Schauern hervorrufen. Auf der Orgel kann man buchstäblich „alle Register ziehen".

Aber bis es einmal soweit ist, verlangt sie den Musikerinnen und Musikern einiges ab. Robert Schumann mahnte jeden Schüler: „Versäume keine Gelegenheit, dich auf der Orgel zu üben. Es gibt kein Instrument, das am Unreinen und Unsauberen im Tonsatz wie im Spiel alsogleich Rache nähme als die Orgel."

Ich kann das gut nachvollziehen, da ich selbst vom früheren Freisinger Kirchenmusikdirektor Wolfgang Kiechle auf der Orgel unterrichtet wurde. Ich habe zwar keine Profi-Scheine erworben, aber als Schüler und Student in diversen Kirchen im Landkreis Freising die Gottesdienste musikalisch begleitet. Ich habe mich bei aller Freude am Üben und Spielen dem Orgeltisch stets mit großem Respekt genähert. Respekt vor denen, die die Kunst beherrschen, das Instrument für den konkreten Raum zu konzipieren und zu erbauen, und Respekt vor denen, die die Kunst beherrschen, diesem einzigartigen Instrument die nahezu unendliche Vielfalt zu entlocken, die es in sich trägt. Ich danke dem Bayerischen Musikrat, dass er das Jahr 2021 zum Jahr der Orgel macht. Er trägt damit dazu bei, dass Bayern ein Orgelland bleibt.

Staatsminister Dr. Florian Herrmann, MdL

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